35 SCHLAFSÄCKE EINLADUNG


SCHLAFSÄCKE
Marcus Weber

ERÖFFNUNG
MITTWOCH, 15. SEPTEMBER 2004

35 SCHLAFSÄCKE TEXT

„Eine slumber party! So nennen sich Zusammenkünfte, bei denen es einer Gruppe zumeist junger Menschen vor allem darum geht, eine Nacht gemeinsam in einem befreundeten Haushalt zu verbringen.“ (Rafael von Uslar, in: Marcus Weber, Ausstellungskatalog für Galerie Cosar, Düsseldorf, 1999)

Der Kiosk als öffentliches Schlafzimmer. Er beherbergt eine Gruppe von Schlafenden, Penner, die sich Tag und Nacht inmitten einer von Autos umtosten Weimarer Straßenkreuzung in ihren leuchtend karierten Schlafsäcken ausruhen. Wer sind sie? Wie hat sich die Gruppe gefunden?

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  35 Schlafsäcke

„Eine slumber party! So nennen sich Zusammenkünfte, bei denen es einer Gruppe zumeist junger Menschen vor allem darum geht, eine Nacht gemeinsam in einem befreundeten Haushalt zu verbringen.“ (Rafael von Uslar, in: Marcus Weber, Ausstellungskatalog für Galerie Cosar, Düsseldorf, 1999)

Der Kiosk als öffentliches Schlafzimmer. Er beherbergt eine Gruppe von Schlafenden, Penner, die sich Tag und Nacht inmitten einer von Autos umtosten Weimarer Straßenkreuzung in ihren leuchtend karierten Schlafsäcken ausruhen. Wer sind sie? Wie hat sich die Gruppe gefunden? Was treibt sie, sich schlafend den Blicken der Passanten auszuliefern? Was ist der Anlass ihrer Vereinnahmung dieses völlig ungeeignet erscheinenden Ortes? Unbehelligt vom städtischen Treiben nehmen die Schläfer ihre Posen ein: Schläfer aus Trotz, aus Ermüdung, aus Langeweile.

Tritt man näher heran, sieht man ein skulpturales Kunstwerk. Die Köpfe der Schläfer und Schläferinnen sind aus bemaltem Gips, die Schlafsäcke sind aus Nessel genäht und das Karomuster ist aus farbigen Filzstreifen appliziert. Ist der erste Anblick eher eine Irritation sozialer Konventionen, geht es bei näherer Betrachtung um die Auseinandersetzung mit Formen und Materialien. Die voluminösen Bettdecken werden zur Skulptur und das Karomuster Gegenstand einer Untersuchung.

Marcus Weber interessiert sich für das Karo. Es ist Fläche und räumliches Muster zugleich. Die dritte Dimension ist im Karo schon inbegriffen: das Raster und damit das Unendliche. Die Reliefstruktur der Filzstreifen unterstreicht die Plastizität. Dadurch, dass die rechten Winkel des Linienmusters die Oberfläche eines Federbettes bilden, sich also brechen, betonen sie die Dreidimensionalität dieser Hüllen. Die Schlafsäcke als minimale menschliche Behausung zwischen Kleidung und Wohnung treten in Beziehung zur Kiosk-architektur.

Webers Schlafsackmuster beziehen sich z.B. auf Hemden von Helden aus bekannten Westernfilmen, auf den russischen Konstruktivismus, auf ein bestimmtes historisches Stoffmuster aus der Hallstatt-Zeit oder das Karo eines Campingstuhls. Marcus Weber teilt seine Leidenschaft für karierte Muster mit vielen Künstlern des zwanzigsten Jahrhunderts wie z.B. mit Piet Mondrian, mit René Magritte in seiner „periode vache“, mit Blinky Palermo, Lily van der Stokker, Konrad Lueg oder den Preisbildern Martin Kippenbergers. Gleichzeitig ist das weltläufige Muster von bodenständiger Banalität: Kluft der Arbeiter und Cowboys, Inbegriff der textilen Deko von Schürzenkittel und Wachstischtuch symbolisiert es oft Ordnung und Frische. Andere der unzähligen Varianten des Karos sind lesbar, wie die Tartans der schottischen Clans. Ebenso wieder erkennbar ist das klassische Karo von Burberry, das seit Jahrzehnten teuren englischen Chic verkörpert.

Das Karo ist letztendlich auch ein „Universalmuster“: Es taucht in allen Epochen und Kulturen auf, was in der Grundstruktur des Webens – kreuz und quer – begründet ist.