13 ZU KUNST UND MODE: AUS DEN NOTIZEN EINES KERZENHÄNDLERS EINLADUNG


ZU KUNST UND MODE: AUS DEN NOTIZEN EINES KERZENHÄNDLERS
Nils Röller

ERÖFFNUNG
FREITAG, 18. OKTOBER 2002

13 ZU KUNST UND MODE: AUS DEN NOTIZEN EINES KERZENHÄNDLERS TEXT

Der Kerzenhändler ist ein moderner Flaneur, der zwischen den Welten, Ländern, Internetbewegungen, Zeichen und Zeichentheorien nach verbindlichen Spuren sucht. Bei seinem vorübergehenden Aufenthalt im Weimarer Kiosk geht es um nicht mehr und nicht weniger als darum, einen Auftrag zu seinem Ende zu bringen. Mit der Ausstellung unternimmt das Zentrum für Kunst und Mode dabei erstmals den Versuch, den Passanten und Besuchern eine textbasierte Ausstellung zugänglich zu machen. In fliegenden Blättern, Heften, Zetteln, Romanfolgen und Tageswörtern, ...

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 13 Zu Kunst und Mode

Aus den Notizen eines Kerzenhändlers

Der Kerzenhändler ist ein moderner Flaneur, der zwischen den Welten, Ländern, Internetbewegungen, Zeichen und Zeichentheorien nach verbindlichen Spuren sucht. Bei seinem vorübergehenden Aufenthalt im Weimarer Kiosk geht es um nicht mehr und nicht weniger als darum, einen Auftrag zu seinem Ende zu bringen. Mit der Ausstellung unternimmt das Zentrum für Kunst und Mode dabei erstmals den Versuch, den Passanten und Besuchern eine textbasierte Ausstellung zugänglich zu machen. In fliegenden Blättern, Heften, Zetteln, Romanfolgen und Tageswörtern, Aquarellen und Ausrissen aus Modezeitschriften konstituiert sich eine Sammlung, die als Experiment im Kontext von Kunst und Mode verstanden werden will.

Nils Röller arbeitet als Medientheoretiker (www.romanform.de) in Köln, Karlsruhe und Zürich. Seine „Notizen eines Kerzenhändlers“ erscheinen im Internet (www.tuxamoon.de/cuscokids) und im Weimarer Radio „Lotte“ in einer wöchentlichen Rubrik.

„... Der Kerzenhändler ist mit zwei Fragen beschäftigt; einmal überlegt er, wie er mit den schönen Menschen umgehen soll, die er auf Plakaten sieht, und dann, wie er sich eine Waschmaschine besorgen kann, mit der er wenigstens seine Kragen reinhalten kann. Der Schelm, der beim Verlassen des Geschäftes bemerkt, dass es dem Kerzenhändler nicht so gut geht, schenkt ihm eine CD, ‚für sein freundliches Zuhören‘. Außerdem lädt er den Kerzenhändler ein, am Abend mit ihm ins E-Werk zu kommen. Dort spricht der Kerzenhändler mit zwei Frauen (waren es Modegestalterinnen aus Bielefeld?), die ihm wunderschön vorkommen. Er findet sich zunächst nicht mit ihrer Kleidung zurecht.

Eine von ihnen fällt ihm auf, weil sie mit einen schweren, pelzartigen Mütze in seiner Nähe tanzt. Sie bewegt sich umherschauend zwischen den Tanzenden und spricht mit diesem oder jenem Mann. Einmal fliegt ein großer Plastikball, der von den Tanzenden hin und her geworfen wird, in ihren Nacken. Der Kerzenhändler hätte sie gerne vor diesem Wurf geschützt. Aber das war nicht nötig, da ihr der Stoß kaum etwas anzuhaben scheint. Ihre Hose erinnert ihn an die farbigen Stoffe, die seine Verwandten vor zwanzig Jahren bei Festen auf dem Campingplatz getragen haben. Mit ihren Schuhen kann er nichts verbinden. Er meint weiß eingefaßte Fussballen zu sehen, die sich stumpf von den blauen Knöchelschonern aus grober schwarzer Wolle unterscheiden. Der Kerzenhändler hätte gerne etwas Liebliches in ihrem Aufzug gesehen, etwas von den lindgrünen und granatapfelroten Stoffen, wie es die schöne arabische Prinzessin auf dem Plastikteller im Marokkanischen trug, aber die Schönheit der pelzbewehrten Tänzerin war anders. Es war für ihn erst einmal keine Schönheit, sondern nur Auffälligkeit, von der er nicht wusste, ob sie der Armut geschuldet war oder einem Kalkül entsprach, das seinem verhutzelten Händlerdasein verschlossen war. Später hört der Kerzenhändler, als er an eine Wand lehnend, in die Gespräche einer Gruppe, die mit Bier spritzt, hineingezogen wird, dass die Tänzerin eine Freundin hat, und beide als die schönsten Frauen des Abends gelten, von denen ein Mann im gelben T-Shirt und einem silbernen Knopf in der Lippe sagt, dass sie Mode studieren. Der Kerzenhändler kommt dann nicht umhin, die Freundin der bereits beobachteten Modestudentin näher zu betrachten ...“

Nils Röller