14 JEANSDINGE EINLADUNG


JEANSDINGE
K&K in Kooperation mit Petra Eisele

ERÖFFNUNG
SONNTAG, 3. NOVEMBER 2002

14 JEANSDINGE TEXT

Die wilde Lust am Sammeln, das Auflisten und Anhäufen entspricht dem Bedürfnis, die Überreste einer früheren Welt zu sichten und neu zu bewerten. Beim Herumstöbern geht es zumeist darum, sich durch Dinge Vergangenheit anzueignen, die nie selbst erlebt wurde. In „Jeansdinge“ hingegen geht es darum, die Archäologie einer gegenwärtigen Alltags- und Unterhaltungskultur zu betreiben, in der der Begriff des Authentischen immer schon als verschoben erscheint.

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 14 Jeansdinge

Sammeln und Ausstellen

Die wilde Lust am Sammeln, das Auflisten und Anhäufen entspricht dem Bedürfnis, die Überreste einer früheren Welt zu sichten und neu zu bewerten. Beim Herumstöbern geht es zumeist darum, sich durch Dinge Vergangenheit anzueignen, die nie selbst erlebt wurde. In „Jeansdinge“ hingegen geht es darum, die Archäologie einer gegenwärtigen Alltags- und Unterhaltungskultur zu betreiben, in der der Begriff des Authentischen immer schon als verschoben erscheint.

Körper, Haut, Hülle

Wie kaum ein anderes Kleidungsstück geht die Jeans enge Beziehungen zum Körper ein. Als zweite Haut „verkörpert“ sie ihn. Die Jeans verhüllt den Körper nicht, sondern bildet ihn mitsamt seinen Vorzügen und Unzulänglichkeiten ab.

Imperfection oder: Die Ästhetik der Patina

Je länger die Hose getragen wird, desto genauer „verstofflicht“ sie die Zeit. Helle Verfärbungen an den Hosenbeinen, ausgefranste Saumnähte, dünn oder gar brüchig gewordene Oberschenkelflächen künden von den Anforderungen und Beanspruchungen des Alltags. Das Zerschlissene weist auf Vergänglichkeit. Die Jeans als Ausdruck der eigenen Lebensgeschichte wird seit den 60er Jahren gegen das Konzept der Zeitlosigkeit gesetzt, wie sie die perfekte Neuware impliziert. Derart als Verkörperung des Unperfekten interpretiert, etablierte sich jedoch ein Paradoxon, das die Jeansmode bis heute charakterisiert: Indem sich die Jeans vom Modediktat des stetigen Wechsels lossagt, beanspruchte sie – ebenso wie die Neuware – die Vorstellung von Dauerhaftigkeit und Zeitlosigkeit. Die Modeindustrie stellte sich bekanntlich darauf ein, indem sie die Alterungsspuren künstlich („stonewashed“) erzeugte und so eine vermeintliche Lebens-Geschichte gleich mitlieferte. Mit jeder Saison wechseln inzwischen die künstlich hergestellten Abnutzungsspuren: Nachdem in den letzten Jahren Risse und Flicken auf der Neuware zu finden waren, sind in dieser Saison die Po- und Oberschenkelbereiche durch auffallend helle Abnutzungsspuren gekennzeichnet.

Puzzle / Retro

Diese Lösung einzelner Gestaltungselemente aus ihrem Kontext ist als postmoderne Designmethode bekannt. Sie nutzt bekannte Formen als Zeichen-Pool und puzzelt neue Sinnzusammenhänge. Vor allem in den 80er Jahren manifestierte sich so eine Cross-over-Kultur der Stile, aus dem sich jeder sein persönliches Stil-Potpourri zusammenstellt. Dieser Hang manifestiert sich insbesondere im Retro-Trend – etwa bei der Retro-Wrangler-Werbekampagne. Sie dekliniert gleichsam die syntaktischen Merkmale einzelner Jahrzehnte mit Hilfe von Accessoires durch und inszeniert so eine neue „alte“ urbane Kultur einschließlich der synthetisch hergestellten emotionalen Beziehung zu ihr.

Oberfläche, Stoff, Abbild

Im Gegensatz dazu spielt die Ausstellung „Jeansdinge“ mit Material- und Oberflächenqualitäten. Das Thema der Jeans – der Stoff im Verhältnis zum Körper – wiederholt sich hier in zahlreichen Varianten: Die Objekte imitieren die Formen des menschlichen Körpers, zitieren das Patina-Motiv. Manchmal wird der Stoff tatsächlich zur „Bekleidung“ eines Gebrauchsgegenstandes; manchmal wird aber auch das Abbild des Stoffes auf die Oberfläche der Objekte gedruckt und zitiert so das „Image“ in seinem ursprünglichen Sinn als Bild.

Hybridkultur

So bildet sich eine neue Hybridkultur, die nicht mehr „Stile“ aufnimmt, sondern Versatzstücke zitiert, die jeweils an das Weltwissen und die Assoziationskraft einer „In-Gruppe“ appellieren. Es geht demnach nicht mehr um das Neue mit Hilfe des Alten im Sinne einer Stil-Rezeption, sondern um den Appell an ein Insiderwissen, die Erschaffung eigener „Bilderwelten“, die aus dem kollektiven Wissen gezielt ausgesondert und dadurch individualisiert werden.

Petra Eisele